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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Septemberheft
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Donath, Adolph: Die Aussichten des deutschen Kunstmarktes
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0020

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Die Ausßcbten des deutfeben Kunffmaektes

oon

Adolph

Th s wäre falsch, aus den Verhältnissen, wie sie heute in
■4 Deutschland sind, Schlüsse zu ziehen auf die künftige
Gestaltung des deutschen Kunstmarktes. Wir haben ja
in allen Dingen immer schon die größten Überraschungen
erlebt; vielleicht täuschen sich die Pessimisten auch
diesmal. Und Kunst-Pessimisten gibt es bei uns noch
genug. Da sind die überängstlichen Sammler, die meinen,
daß sie die Steuerschraube kunsttot macht, da sind die
überspekulativen Sammler, die bisweilen schon mit dem
Gedanken spielten, ihren Kunstbesitz abzubauen. Neuer-
dings aber zeigt sich gerade bei dieser zweiten Gruppe
das ernste Bestreben, den erbgesessenen Sammlernamen
wieder hochzubringen. Und das ist erfreulich. Das ist eben
immer wieder die alte Geschichte von der alten Liebe,
zu der man immer wieder zurückkehrt. Ich denke dabei
unwillkürlich an einen bekannten Kunstfreund, der einst
mit den Primitiven begann, sie dann eines Tages (aus
gewisser Erkaltung des Interesses) für etliche Niederländer
eintauschte, diese Niederländer eines Tages auf den Markt
warf und — zu seinen Primitiven zurückfand. Mag sein,
daß ihn die heutige hohe Bewertung der Primitiven reizte,
aber immerhin: er konnte einfach das Sammeln nicht
lassen. So ist es eben. Wer Jahre lang sammelt, gibt
nicht blos sein Geld für die Kunst hin, sondern ein Stück
seines Lebens, eine Unmenge von Nerven und eine Un-
menge von inneren Begebenheiten. Und so denken heute
selbst viele von den neuen Sammlern, den „nouveaux
riches,“ die noch vor Jahresfrist kunterbunt kauften,
zunächst nur aus der Sucht heraus, ihr Heim zu
„schmücken.“ Doch vielen von jenen, die inzwischen dessen
innewurden, was Kunst ist, wird — und mögen die Ab-
gaben an das Reich noch so hoch sein — gewiß genug
übrigbleiben, um die Kunst auch weiterhin zu fördern,
die alte oder die neue. Es wäre traurig, wenn es anders
stünde. Nie ist es anders gewesen. Selbst nicht in
den Epochen des heftigsten Niederbruchs.

Wir werden schon in den nächsten Wochen beur-
teilen können, ob die normalen Verhältnisse wieder-
kommen. Während des Krieges hatte der deutsche
Kunstmarkt zum Teil etwas anormales, übrigens
genau so wie die Kunstmärkte in Holland und Skandinavien
aussahen oder der Pariser Kunstmarkt um die Zeit, da
der Waffenstillstand geschlossen wurde. Ich nannte aber
den deutschen Kunstmarkt deshalb anormal, weil man
oft „Riesenpreise“ für Dinge zahlte, deren Kunstwerte
weit unter dem Durchschnitt schwankten. Daß man
dabei Werken von Rang Rekordpreise zusprach, ist nicht zu
verwundern. Für Qualitäten von Rang gab man
jederzeit, im Altertum wie heute, ganze Vermögen. Und

Donath

ändern wird sich das niemals. Natürlich müssen wir
immer auch mit Zufällen rechnen. Der Zufall kann es zu-
wegebringen, daß selbst der jüngste Sammler eines Tages
ein Meisterwerk noch für ein Butterbrot kauft. Wenn
mir aber heute ein internationaler Kenner aus Holland
schreibt, daß man niemals mehr für deutsche Primitive
solche Preise zahlen wird, wie sie die Auktion Kaufmann
erreichte, so ist das, glaube ich, ein kleiner Irrtum.

Freilich ist die Frage jetzt schwer zu entscheiden,
ob der deutsche Sammler schon in allernächster Zeit
wieder mit dem nichtdeutschen wird kon kurrieren
können. Warten wir ab! Das aber scheint mir

zweifellos, daß der deutsche Kunstmarkt trotz allen
Hindernissen und Widerwärtigkeiten lebensfähig i s t und
daß er seine gute alte Lebendigkeit auch behalten
wird. Der Amerikaner wird hier wieder erscheinen, in
Berlin wie in München, in Köln wie in Frankfurt, in
Leipzig, Dresden und so weiter. Und neben dem

Amerikaner der Skandinavier, der Holländer, der Schweizer;
vielleicht auch ein anderer, dem man es noch nicht
Zutrauen möchte. Hoffentlich bessert sich auch bis
dahin die deutsche Valuta. Und nimmt einer von

ihnen ein Kunstwerk mit, das von ungewöhnlichen
Qualitäten ist, dann werden wir es ihm gönnen müssen,
wie es der Engländer ihm gönnte, der während des

Krieges so manches bedeutende Stück aus seinem Lande
abwandern sah.

Daß man sich aber heute in Deutschland mit der
Frage eines Ausfuhrverbotes beschäftigt, scheint
uns ein Unding. Ein Kunstausfuhrverbot, welcher Art
immer, wäre der Untergang des ganzen Kunsthandels,
abgesehen davon, daß es die Steuererträge vermindern
würde. Man könnte allerdings einen Ausweg schaffen:
könnte sich damit begnügen, eine Gruppe von Kennern
heranzuziehen, die bei dem geplanten Verkauf eines
Historie gewordenen deutschen Kunstwerkes ein
Wort zu sprechen hätten. In dem Sinne nämlich, daß
sie die geldkräftigsten der Sammler bewegen müssten,
dieses Werk für die Allgemeinheit zu sichern. Die großen
Sammler waren ja immer schon die Stützen der großen
Museen. Und werden es bleiben.

Überall regt es sich heute schon auf dem deutschen
Kunstmarkt: in Berlin und München, in Köln und Frank-
furt, in Leipzig, Dresden, Aachen und so weiter. Man
kündigt große Versteigerungen an, man plant große Kunst-
ausstellungen. Und alle unsere Künstler hoffen . . .
Vielleicht haben sie Glück. Das wäre nicht nur ein Ge-
winn für sie selbst, sondern auch für die Kunst an sich
und — für das Fortschreiten der Friedensarbeit.

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